RELIGIÖSE ENTWICKLUNG VON KINDERN

Was Dreijährige glauben, Fünfjährige von Gott erleben und Achtjährige bekennen…

Wie entwickeln sich Kinder eigentlich im religiösen Bereich? Wie glauben sie? Was verstehen sie? Welche Fragen beschäftigen sie? Was davon ist für ihr Alter typisch?

Wie können wir als Engagierte in der Arbeit mit Kindern ihnen da gut begegnen? Wie können wir sie fördern? Wie vermeiden wir es, sie zu überfordern?

Zu diesem Themenbereich gibt es viele und gute Texte, Bücher, Forschungsergebnisse.

Wir lassen hier vier Menschen aus unsrer Arbeit zu Wort kommen. Sie sind Fachleute in unsren KJWs und teilen einige Überlegungen dazu mit uns. Diese sollen anregen, sich dazu – vielleicht neu – Gedanken zu machen und Hilfreiches zu gewinnen. Vielleicht entsteht Interesse an mehr. Dann sind wir alle auch dazu gerne ansprechbar und halten bei Bedarf auch Anregungen für weiterbildende Angebote bereit.

Carina Kirschmer, Referentin für Kinder- und Jugendprojekte im KJW Süd:

Es ist grundlegend, sich in die Kinder hineinzuversetzen. Was können sie sich vorstellen? Was können sie fassen? Kinder habe eine komplett andere Gotteswahrnehmung als Erwachsene. Sie reden, sehen und handeln anders. Sie Lernen durch Tun, durch Aktionen, durch Erleben.

Genaues Beobachten ist zwingend. Auf ihre Fragen zu Welt und Gott eingehen, zu bedenken und nicht mit vorschnellen Antworten zu beenden ist wichtig. Offene Fragen sind eine Methode, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. In allem gilt es, eine kindgerechte Sprache zu suchen und einzuüben. Dabei sind Bilder hilfreich. Schon Jesus erzählte in Bilder bzw. Gleichnisse. Aber wie kommt ein biblischer Text in die Welt der Kinder? Oder der Teens? Denn was ist mit der Spanne zwischen Kindheit und Jugend?

Eine weitere Grundlage ist, wenn wir mit Kindern über den Glauben reden, dass wir uns selbst damit beschäftigen. Man kann nicht von etwas reden, von dem man selber keine Ahnung haben. Wenn wir in Kindergruppen über unseren Glauben reden, dann ein kurzer Selbsttest: An welche Andacht erinnerst Du Dich? Was ist hängen geblieben? Und warum?

Kathrin Mittwollen, Sozialpädagogin:

Wichtig ist vor allem, das Vertrauen der Kinder zu Gott zu stärken. Dazu sind viele Geschichten aus der Bibel geeignet, doch nicht alle. Die Opferung Isaaks zum Beispiel erschüttert das Vertrauen in einen liebenden Gott. Bei älteren Kindern oder Teenagern müssen auch Zweifel und Klage Raum haben dürfen.

Es ist wichtig, dass Kindermitarbeitende Grundkenntnisse über die Entwicklung und Glaubensentwicklung von Kindern haben. Eine grundsätzliche Einführung zum Beispiel in der JuleiCa-Schulung ist sehr gut.

Wissensvermittlung ist nicht das vorrangig Wichtige! (Nicht nur) Kinder lernen mit allen Sinnen – darum können auch kreative Elemente, gemeinsames Spiel und besondere Erlebnisse etwas von Gott etwas vermitteln, Vertrauen stärken und mit biblischen Texten verbunden werden.

Wenn es Mitarbeitenden gelingt, eine gute Beziehung zu den Kindern aufzubauen, werden sie sich trauen, Dinge zu benennen, Fragen zu stellen, Erlebtes zu erzählen. Nicht selten ist der mitarbeitende Mensch als Beziehungsperson wichtiger und prägender als die Geschichten und Inhalte, die vermittelt werden.

Deshalb wiegt es auch schwer, wenn das Vertrauen der Kinder in Mitarbeitende enttäuscht wird oder Kinder sich nicht geachtet fühlen. Es soll eine Sonntagsschule ohne Angst sein – für Kinder und Mitarbeitende. Auch hier zeigt sich, wie wichtig das Schutzkonzept (Leitlinien und Selbstverpflichtung) ist.

Als Mitarbeitende sind wir nicht die Allein-Wissenden. Wir sind Mit-Lernende und sollten die Äußerungen von Kindern achten und uns von ihnen beschenken lassen. Mit dieser Einstellung wird die Arbeit im Kindergottesdienst auch nicht als Last empfunden oder als Verzicht, weil ich nicht zeitgleich an der Erwachsenen-Veranstaltung teilnehmen kann. Es ist immer ein Vorrecht, mit Kindern zusammen Gott und Gottesdienst zu feiern! Das ist geschenkte Beziehungszeit, in der ich Jesus vertrete… Die Gottesdienste der Kinder zu gestalten hat einen sehr hohen Anspruch!

Das Zuhören ist essenziell. Kinder sind nicht einfach unfertig und wir als Mitarbeitende überlegen. Kinder sind sehr oft näher an Gott. Sie teilen ihren Glauben mit mir, und ich teile meinen Glauben mit ihnen. Offene Fragen, zu denen alle etwas sagen und beitragen können, sind daher zu favorisieren. Die Kinder sollen nicht die Aussagen nachsprechen lernen, sondern selbst sprachfähig werden.

Bei internationalen Kindermitarbeitenden-Treffen habe ich gehört, dass in manchen säkularen Ländern die Glaubensvermittlung nicht mehr von der Eltern-Generation wahrgenommen werden kann, weil diese nicht dazu nicht in der Lage sind. Eine Möglichkeit war, die Großeltern einzubeziehen, weil sie das noch konnten. Während meiner Tätigkeit als Referentin im Kinder- und Jugendwerk habe ich immer wieder erlebt, dass selbst bei Kindermitarbeitenden eine große Hemmung besteht, biblische Geschichten zu erzählen oder mit ihnen zu beten. Es ist wichtig, dass wir da sprachfähig bleiben und auch Eltern ermutigen (und anleiten) können, ihren Kindern diesen großen Glaubensschatz weiterzugeben.

Josefine Will, Bildungsreferentin:

Jeder Mensch hat zu jeder Zeit eine Form von Glauben oder auch Erkenntnis. Dabei durchläuft jede Person nicht so sehr Stufen, die es – immer aufwärts – zu erklimmen gilt. In jeder Zeit gibt es Stärken und Schwächen. Das bedeutet, dass es in jeder Zeit oder Phase oder Stufe etwas zu entdecken gibt – für die Person selbst und die, die sie befragt. Kein Glaube ist absolut, am Ziel. Alles zeigt etwas von Gott. Deshalb ist wichtig, auch den Glauben eines Kindes ernst zu nehmen. Auch ihr Glaube ist berechtigt, hat etwas, was ich als Erwachsene vielleicht verloren habe. Meine Aufgabe als Mitarbeitende ist es, den Glauben des Kindes als berechtigt zu respektieren. Wo kann ich sie fördern? Was kann ich von ihnen lernen?

Wer mit Kindern arbeitet, sollte sich klarmachen: Was will ich mit dem Glauben der Kinder? Was will ich für das Kind? Will ich es umerziehen? Glauben entdecken lassen? Voranbringen? Und wohin dann? Kann ich die Fragen der Kinder zulassen? Aushalten? Bin ich bereit, auch Umwege mit ihnen zu gehen? Grundsätzlich ist die Frage, ob es erstrebenswert ist, die dargestellt höchste Stufe zu erreichen.

In der Schulungsarbeit liebe ich es, Gegenpositionen einzunehmen und den jeweils eigenen Standpunkt reflektieren zu lassen. Warum ist etwas meine Position? Welche Stärken und Schwächen gibt es darin?

Lars Weinknecht, Pastor und Leiter des KJW Nord:

  1. Kinder brauchen Präsenzangebote; Besonders in Pandemiezeiten ist dies nicht nur für Erwachsene, sondern auch für junge Menschen wichtig. In diesem Zusammenhang müssen wir auch für die Kinder kämpfen.
  2. Gemeinden müssen einen Schwerpunkt bei den Kindern setzen.
  3. Kinder brauchen Musik und Bewegung – auch im sog. Hauptgottesdienst.
  4. Kinder brauchen Augenhöhe (Gespräche über Glauben auch mit anderen als den Eltern)
  5. Es braucht Theologie für, mit und von Kindern – mit Auswirkungen in den Gottesdienst der Erwachsenen hinein. Das soll ein Bedürfnis für alle Mitarbeitenden sein und gilt nicht nur im Gottesdienst, sondern auch im Kirchenkaffe, in Begegnungen, im Leben, in Beziehungen.
  6. Kinder brauchen Räume. Das meint auch einen realen Raum, der nicht im Keller sein muss.
  7. Kinder brauchen Freiheit für eine eigene Entscheidung. Glauben teilen, nicht drängen, sondern ihnen und Gott überlassen. Sie dürfen einfach sein. Das nimmt Druck aus unsrer Verkündigung und gibt Kindern Raum zur Entwicklung.
  8. Ehrenamtliche brauchen Schulung und Kompetenz. Das gibt es nicht automatisch. Das ist von der Gemeinde zu fördern. Themen wie Jugendschutz, Rituale und vieles andere mehr ist wichtig.
  9. Kinder brauchen Beziehungen.

Mit Kindern über Glauben reden. Kinder erzählen mir. Kinder erklären mir. Ihr Entdecken, Erleben und Verstehen zeigt mir, wie ich mit verständlichen Worten mit ihnen darüber sprechen kann. Werden wie die Kinder. Das ist angesagt!

Literaturempfehlungen:

Gesammelt von Beate Klänn-Egbers